„Bin ich überhaupt in Deutschland angekommen?“

Aktionstag der Migrationsdienste im Caritasverband gab Einblicke

3.8.2023 | Zum Aktionstag des Caritas-Jugendmigrationsdienstes (JMD) und der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) im Café des Mehrgenerationenhauses in Mayen konnte Hugo Nowicki, Vorsitzender des Caritas- rates, Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil (CDU), Franziska Baumgarten, Referentin JMD-Kompetenzteam der Katholischen Jugendsozialarbeit vom Diözesan-Caritasverband, Studiendirektor Bernd Lattwein von der Berufs- bildenden Schule Mayen, Markus Göpfert, Fachdienstleiter Migration sowie fünf Migrantinnen und Migranten begrüßen. Zum Austausch eingeladen hatten die JMD-Beraterinnen Ruth Fischer, Carina Klee und Ania Sikkes sowie Anna Ziegler (JMD Programm „Respekt Coaches“) und Elena Janzen (MBE und JMD Programm „Respekt Coaches“). In Mayen erzählten zugewanderte Menschen von ihren Erfahrungen in Deutschland. Hoch fliegen ihre Wünsche, die hoffentlich in Berlin ankommen. | Foto: Eberhard Thomas Müller Das Thema der Runde definierte Ruth Fischer: „Wie bin ich angekommen? Und bin ich überhaupt angekommen?“ Bei Mo aus Somalia ergab sich gleich bei der Ankunft die erste Hürde, als seine somalische Geburtsurkunde nicht anerkannt wurde. So wurde er, der zunächst in einer Jugendhilfeeinrichtung wohnte, nach einer Altersfeststellungs- untersuchung als volljährig erklärt und in einer Asylunterkunft mit Erwachsenen untergebracht. Nach rund zwei Jahren, kurz vor seinem 18..Geburtstag, konnte er nachweisen, dass er tatsächlich noch minderjährig ist. Mittlerweile ist Mo im 2. Ausbildungsjahr zur Fachkraft für Lagerlogistik. Für Sergio aus Italien war das Ankommen als EU-Bürger kein Problem. Die Probleme kamen mit der Suche nach einer Schule, die ihm als Zugewandertem, der noch nicht fließend Deutsch sprach, eine wirkliche Chance gibt und ihm zutraut die gymnasiale Oberstufe zu besuchen. Nach mehreren Absagen von verschiedenen Schulen, immer mit der Begründung, dass er das nicht schaffen könne, nahm ihn das Görres-Gymnasium in Koblenz in die 11..Klasse auf. Sergio hat das Schuljahr mit Erfolg beendet und wird seinen Weg zum Abitur weiterverfolgen. Bernd Lattwein: „Sprachbarrieren sind gerade an Gymnasien eine große Hürde. Es fehlen oft klare Konzepte für eine gelingende schulische Integration von Zugewanderten.“ Mo und Sergio haben aus ihren Erfahrungen in der Schule zwei Verbesserungsvorschläge. Zugewanderten sollte erlaubt sein ein Wörterbuch zu benutzen, damit sie die Aufgabenstellung gut verstehen können. „Nur wer gelernt hat, kann dann auch die richtige Antwort geben und eine gute Note bekommen.“ erklärt Sergio. Mo schlägt vor, dass Schülerinnen und Schüler, die noch nicht sehr gut Deutsch sprechen, mehr Zeit zum Bearbeiten der Klausuren gegeben wird. „Wir müssen nämlich alles zuerst einmal übersetzen, denn auch die Antwort ist zuerst in unserer Sprache in unserem Kopf.“ Eine akademisch ausgebildete Physik- und Mathematiklehrerin, die aus Albanien flüchten musste, findet keine reguläre Arbeit, da das albanische Studium in Deutschland nicht anerkannt wird. Nur Arbeit an Privatschulen ist möglich. So folgte ihrer befristeten Tätigkeit als Mathematiklehrerin am Calvarienberg in Ahrweiler eine sechs monatige Anstellung bei einer Kita in Bonn. Gerne würde sie auch als Erzieherin arbeiten, doch als albanische Lehrerin kann und darf sie dies nicht. „Wir sind keine erfahrungsorientierte, sondern eine voraussetzungs-, abschlussorientierte Gesellschaft“, brachte es Bernd Lattwein auf den Punkt. Lewesa aus Afghanistan ist jung, beendet gerade die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin und fängt nach ihrer Ausbildung an als Intensivschwester zu arbeiten. Ganz anders geht es ihren Eltern, deren Qualifizierungen nicht anerkannt werden: „Meine Eltern sind beide Akademiker. Meine Mutter ist Erzieherin und mein Vater studierter, erfahrener Bauingenieur. Meine Eltern, die was für Deutschland tun möchten, werden einfach weggeschoben. Wo ist die Gerechtigkeit gegenüber Älteren? Ich komme mit den Kollegen und Ärzten klar. Das wünsche ich mir auch für meine Eltern. Sobald Deine Papiere nicht anerkannt sind, gibt es für Akademiker nur die Möglichkeit, in einem Supermarkt zu arbeiten“ Mechthild Heil: „Das passt nicht, wir brauchen Fachkräfte.“ Ruth Fischer fasste die artikulierten Wünsche zusammen: „Lasst sie doch in Deutschland mit ihren mitgebrachten Fähigkeiten arbeiten und nebenbei weitere Kompetenzen erwerben.“ Und Markus Göpfert ergänzte: „Viele gesellschaftlichen Systeme sind stark belastet, es fehlen die Ressourcen um zu wirklichen und pragmatischen Lösungen zu kommen.“ Mit viel zu teuren, runtergekommenen Wohnungen wies Mechthild Heil auf ein weiteres Manko hin: „400 bis 500 Euro für ein Zimmer mit einem gemeinsamen Bad. Da wird viel Schindluder betrieben.“ Dass es bei aller Kritik auch Gutes zu berichten gibt, verdeutlichte Mohammad in der Runde. Hochqualifiziert beherrscht er mehrere Sprachen. Mohammad, der eigentlich in Syrien bleiben wollte, musste vor einem Jahr dann doch fliehen. Ohne Elena Janzen von der Caritas in Mayen hätte er es nicht geschafft, seine Frau und die Kinder nach Deutschland zu holen: „Ich bin sehr glücklich in Deutschland und bin heute nur gekommen, Danke zu sagen.“ „An den Berichten heute konnte man gut erkennen, wie hilfreich und notwendig eine gute Beratung und Begleitung von Zugewanderten ist.“, sagt Franziska Baumgarten, „JMD und MBE sind vom BMFSFJ bzw. vom BMI finanziert und wir brauchen diese Gelder auch weiter, damit das Ankommen in Deutschland gelingen kann.“

„Bin ich überhaupt in Deutschland

angekommen?“

Aktionstag der Migrationsdienste im Caritas-

verband gab Einblicke

3.8.2023 | Zum Aktionstag des Caritas-Jugend- migrationsdienstes (JMD) und der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) im Café des Mehrgenerationenhauses in Mayen konnte Hugo Nowicki, Vorsitzender des Caritasrates, Bundestags- abgeordnete Mechthild Heil (CDU), Franziska Baumgarten, Referentin JMD-Kompetenzteam der Katholischen Jugendsozialarbeit vom Diözesan- Caritasverband, Studiendirektor Bernd Lattwein von der Berufsbildenden Schule Mayen, Markus Göpfert, Fachdienstleiter Migration sowie fünf Migrantinnen und Migranten begrüßen. Zum Austausch eingeladen hatten die JMD-Beraterinnen Ruth Fischer, Carina Klee und Ania Sikkes sowie Anna Ziegler (JMD Programm „Respekt Coaches“) und Elena Janzen (MBE und JMD Programm „Respekt Coaches“). In Mayen erzählten zugewanderte Menschen von ihren Erfahrungen in Deutschland. Hoch fliegen ihre Wünsche, die hoffentlich in Berlin ankommen. | Foto: Eberhard Thomas Müller Das Thema der Runde definierte Ruth Fischer: „Wie bin ich angekommen? Und bin ich überhaupt angekommen?“ Bei Mo aus Somalia ergab sich gleich bei der Ankunft die erste Hürde, als seine somalische Geburtsurkunde nicht anerkannt wurde. So wurde er, der zunächst in einer Jugendhilfeeinrichtung wohnte, nach einer Altersfeststellungsuntersuchung als volljährig erklärt und in einer Asylunterkunft mit Erwachsenen untergebracht. Nach rund zwei Jahren, kurz vor seinem 18..Geburtstag, konnte er nach- weisen, dass er tatsächlich noch minderjährig ist. Mittlerweile ist Mo im 2. Ausbildungsjahr zur Fachkraft für Lagerlogistik. Für Sergio aus Italien war das Ankommen als EU-Bürger kein Problem. Die Probleme kamen mit der Suche nach einer Schule, die ihm als Zugewandertem, der noch nicht fließend Deutsch sprach, eine wirkliche Chance gibt und ihm zutraut die gymnasiale Oberstufe zu besuchen. Nach mehreren Absagen von verschiedenen Schulen, immer mit der Begründung, dass er das nicht schaffen könne, nahm ihn das Görres-Gymnasium in Koblenz in die 11..Klasse auf. Sergio hat das Schuljahr mit Erfolg beendet und wird seinen Weg zum Abitur weiter- verfolgen. Bernd Lattwein: „Sprachbarrieren sind gerade an Gymnasien eine große Hürde. Es fehlen oft klare Konzepte für eine gelingende schulische Integration von Zugewanderten.“ Mo und Sergio haben aus ihren Erfahrungen in der Schule zwei Verbesserungsvorschläge. Zugewander- ten sollte erlaubt sein ein Wörterbuch zu benutzen, damit sie die Aufgabenstellung gut verstehen können. „Nur wer gelernt hat, kann dann auch die richtige Antwort geben und eine gute Note bekommen.“ erklärt Sergio. Mo schlägt vor, dass Schülerinnen und Schüler, die noch nicht sehr gut Deutsch sprechen, mehr Zeit zum Bearbeiten der Klausuren gegeben wird. „Wir müssen nämlich alles zuerst einmal übersetzen, denn auch die Antwort ist zuerst in unserer Sprache in unserem Kopf.“ Eine akademisch ausgebildete Physik- und Mathematiklehrerin, die aus Albanien flüchten musste, findet keine reguläre Arbeit, da das albanische Studium in Deutschland nicht anerkannt wird. Nur Arbeit an Privatschulen ist möglich. So folgte ihrer befristeten Tätigkeit als Mathematiklehrerin am Calvarienberg in Ahrweiler eine sechs monatige Anstellung bei einer Kita in Bonn. Gerne würde sie auch als Erzieherin arbeiten, doch als albanische Lehrerin kann und darf sie dies nicht. „Wir sind keine erfahrungsorientierte, sondern eine voraussetzungs-, abschlussorientierte Gesellschaft“, brachte es Bernd Lattwein auf den Punkt. Lewesa aus Afghanistan ist jung, beendet gerade die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin und fängt nach ihrer Ausbildung an als Intensiv- schwester zu arbeiten. Ganz anders geht es ihren Eltern, deren Qualifizierungen nicht anerkannt werden: „Meine Eltern sind beide Akademiker. Meine Mutter ist Erzieherin und mein Vater studierter, erfahrener Bauingenieur. Meine Eltern, die was für Deutschland tun möchten, werden einfach weggeschoben. Wo ist die Gerechtigkeit gegenüber Älteren? Ich komme mit den Kollegen und Ärzten klar. Das wünsche ich mir auch für meine Eltern. Sobald Deine Papiere nicht anerkannt sind, gibt es für Akademiker nur die Möglichkeit, in einem Supermarkt zu arbeiten“ Mechthild Heil: „Das passt nicht, wir brauchen Fachkräfte.“ Ruth Fischer fasste die artikulierten Wünsche zusammen: „Lasst sie doch in Deutschland mit ihren mitgebrachten Fähigkeiten arbeiten und nebenbei weitere Kompetenzen erwerben.“ Und Markus Göpfert ergänzte: „Viele gesellschaftlichen Systeme sind stark belastet, es fehlen die Ressourcen um zu wirklichen und pragmatischen Lösungen zu kommen.“ Mit viel zu teuren, runtergekommenen Wohnungen wies Mechthild Heil auf ein weiteres Manko hin: „400 bis 500 Euro für ein Zimmer mit einem gemeinsamen Bad. Da wird viel Schindluder betrieben.“ Dass es bei aller Kritik auch Gutes zu berichten gibt, verdeutlichte Mohammad in der Runde. Hochqualifiziert beherrscht er mehrere Sprachen. Mohammad, der eigentlich in Syrien bleiben wollte, musste vor einem Jahr dann doch fliehen. Ohne Elena Janzen von der Caritas in Mayen hätte er es nicht geschafft, seine Frau und die Kinder nach Deutschland zu holen: „Ich bin sehr glücklich in Deutschland und bin heute nur gekommen, Danke zu sagen.“ „An den Berichten heute konnte man gut erkennen, wie hilfreich und notwendig eine gute Beratung und Begleitung von Zugewanderten ist.“, sagt Franziska Baumgarten, „JMD und MBE sind vom BMFSFJ bzw. vom BMI finanziert und wir brauchen diese Gelder auch weiter, damit das Ankommen in Deutschland gelingen kann.“